The Divided States (II): Wie die Parteien wurden, was sie sind

Die Urgroßeltern des durchschnittlichen US-Wählers wären nicht überrascht, dass die Demokraten 2010 eine universelle Gesundheitsversorgung eingeführt haben. Schockiert aber wären sie, dass der erste schwarze Präsident kein Republikaner war.

Die US-Demokraten sind die älteste noch bestehende Partei der Welt. Seit ihrer Gründung durch den sklavenhaltenden Gründervater Thomas Jefferson 1792 brachte sie populistische Präsidenten und Gouverneure hervor, die gegen Ureinwohner und Schwarze die niedersten Instinkte zu mobilisieren verstanden und spätestens seit dem New Deal der 1930er eine keynesianische Sozialstaatspolitik verfolgen. Die Republikaner dagegen berufen sich als „Grand Old Party“ auf Abraham Lincoln, der die Partei 1854 gegen die Demokraten unter anderem zur Abschaffung der Sklaverei aufstellte, und stehen für die libertäre Idee vom schlanken Staat.

In den 1960ern wurden die Parteien, was sie heute sind. Die systematische Diskriminierung von Schwarzen rückte nach dem Zweiten Weltkrieg genug ins öffentliche Bewusstsein, um auch Wahlkampfthema zu werden. Der demokratische Präsidentschaftskandidat John F. Kennedy stellte sich deutlich auf die Seite Martin Luther Kings und verdankte seinen knappen Wahlsieg gegen Nixon auch den Stimmen schwarzer Wähler, deren Forderungen nach Gleichberechtigung er zu erfüllen versprach. Damit stellte sich JFK nicht zuletzt gegen Parteifreunde. Der ebenfalls demokratische Gouverneur von Alabama, George Wallace, versicherte noch bei seiner Amtseinführung 1963: „Rassentrennung heute, Rassentrennung morgen und Rassentrennung für immer!“

Nach JFKs Ermordung setzte der bisherige Vizepräsident Lyndon B. Johnson den Civil Rights Act 1964 gegen den erbitterten Widerstand konservativer Politiker beider Parteien aus den Südstaaten durch. Der republikanische Rechtsaußen Barry Goldwater fiel auf, weil er die Gleichstellung aus verfassungsrechtlichen Gründen bekämpfte: Mit dem Civil Rights Act greife Washington DC in die Autonomie der Bundesstaaten und Privatpersonen ein.

Goldwaters Engagement brachte ihm die Nominierung als republikanischer Herausforderer Johnsons ein. Ihm unterlag Goldwater 1964 zwar deutlich, nicht zuletzt weil er im Wahlkampf als vom Ku Klux Klan unterstützter Psychopath defamiert wurde, der einen Atomkrieg vom Zaun brechen würde. Aber die Republikaner hatten seine Ideen zu ihrem Programm gemacht und stützten sich fortan auf enttäuschte Anhänger der Demokraten in den Südstaaten und auf libertäre Magnaten.

Alabamas demokratischer Gouverneur Wallace – ein bauernschlauer Zyniker mit Vorliebe für Country, Ketchup und minderjährige Ehefrauen, mit Pomadenfrisur und Anzug von der Stange beinahe schon eine Karikatur des White-Trash-Provinzpolitikers – leistete nach einem Attentat und einem Erweckungserlebnis Ende der 1970er tätige Abbitte für seinen Rassismus und Machthunger, indem er in seinen letzten Amtsjahren zahlreiche Afro-Amerikaner in Regierungspositionen berief.

Wegen Goldwaters großem Ansehen in der republikanischen Partei wusste Nixon, die Watergate-Affäre politisch nicht zu überleben, als Goldwater ihm öffentlich die Unterstützung verweigerte. In den 1980ern kritiserte Goldwater die Kaperung seiner Partei durch christliche Fundamentalisten und deren Ablehnung von Schwangerschaftsabbruch und Homosexualität – abermals aus der strikt libertären Überzeugung, der Staat habe sich aus Privatangelegenheiten herauszuhalten, kulminierend in Reagans Aufzählung der „neun furchterregendsten Worte“ im Englischen: „I’m from the Government, and I’m here to help.“

 

Amerikas Problem: Es hat zu viel Geographie und zu wenig Geschichte.

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