Petromaskulinität

Männer, die die Welt verbrennen – so auch der Titel von Christian Stöckers Buch –, zeichnen sich durch etwas aus, was Cara Daggett „Petromaskulinität“ getauft hat. Der Standard blickte jüngst auf das obere und die unteren Enden der benzinabhängigen Männlichkeit, also von den Drogenbaronen Öl- und Gasbillionären bis hinab zu den Abermillionen von Fixern, die sich von ihrem Dealer jede Demütigung gefallen lassen, nur um an der Sozialarbeiterin, die sie aus ihrem Elend holen will, ihr Mütchen zu kühlen.

Angharad: „You’re an old man’s battle fodder! Killing everyone and everything!“
Nux: „We’re not to blame!“
Angharad: „Then who killed the world?“
(aus Mad Max: Fury Road, 2015)

 

Petromaskulinität betrifft ja nicht nur die Benzinjunkies selbst, für deren absurd hohe Treibhausgasemissionen alles und jeder den Preis zahlt. Christoph May vom Institut für Kritische Männlichkeitsforschung wird im Standard zitiert:

„Besonders auffällig ist, wie laut das eigentlich alles ist. Man muss wirklich von einem Männlichkeitslärm sprechen. Und alle anderen müssen ihn aushalten, dieser Lebensstil wird ihnen rücksichtslos aufdiktiert.“

 

Lärm und Psychopathen

Neben kindischem Trotz scheint es den Fossilmaskus also vor allem um einen traurigen Schein von Selbstwirksamkeit zu gehen, wenn sie andere mit Lärm und Gestank behelligen – just den beiden Belästigungen, von denen man sich nicht einfach augenrollend abwenden kann.

Theodor Lessing argumentierte schon vor über 100 Jahren, der Lärm sei die Rache des kleinen Mannes an den Arbeitern des Geistes, weil die ihm die Gesetze machten. Also doch bloß die Aufsässigkeit, mit der die Riesenbabys Vater Staats Wohlmeinen quittieren? Das wäre traurig genug, handelt es sich doch um adulte Menschenmännchen, denen eine konstruktive gesellschaftliche Rolle zukommt, die über das ichbezogene bloße Verbrauchen hinausgeht.

Die aber können und wollen einige gar nicht ausfüllen. Julie Aitken Schermer untersuchte in Current issues in personality psychology (11,4), welche Persönlichkeitsmerkmale mit einer Vorliebe für laute Fahrzeuge korrespondieren. Die schönsten Studien sind die, die einem bestätigen, was man bereits ahnte: Von den 529 befragten Studenten wiesen diejenigen, die auf Motorenlärm stehen, eine überdurchschnittlich hohe Ausprägung von Psychopathie und Sadismus auf. Sie stehen dem Leiden anderer gleichgültig gegenüber oder genießen es gar, dessen Verursacher zu sein:

„Modifying a muffler to make a car louder is disturbing to pedestrians, other drivers, and animals at a distance, meeting the sadism component, as well as startling when up close at intersections, meeting the psychopathy component.“

 

Tragischer Konservatismus

Petromaskulinität muss man sich leisten können, was sie zur Kompensation einer Ichschwäche umso attraktiver macht, und sie wird nicht billiger werden. Selbst wenn CO2-Bepreisung und Dekarbonisierung vom politischen Arm der Benzinjunkies abgeschafft werden: Erdöl ist nicht erneuerbar und wird darum zwangsläufig seltener und teurer.

Doch nichts kündigt so zuverlässig den Anfang vom Ende der Petromaskulinität an wie die Tatsache, dass selbsternannte Konservative sich für sie in die Bresche werfen. Es ist die Tragik des Konservatismus, immer zu spät zu kommen. Er entdeckte die Familie als vermeintliche Keimzelle der Gesellschaft erst für sich, als das Vater-Mutter-Kind-Modell sowohl seine Selbstverständlichkeit als auch Attraktivität bereits eingebüßt hatte.

So peinlich und lukrativ also die Bemühungen von CDU/CSU & Co. zur Rettung der Petromaskulinität sind, so sehr dürfen sie auch denen Hoffnung machen, denen bürgerliche Werte wie die Bewahrung der Schöpfung, der Ruhe und Ordnung sowie Selbstbeherrschung und Anstand am Herzen liegen.

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