Asseln wie im Fernsehen

Kürzlich hast du deinen neuesten Nachhilfeschüler kennengelernt; mal wieder „home-schooling“, du musstest also von deiner Pampa in eine andere gurken. Und man kann sagen: Das war ein Assel-Haus wie aus dem Fernsehen, nur erschütternder, weil real.
So lebt also das wahrhaft abgehängte Prekariat auf dem Land. Ein vermoderter Hof an einem Arsch der Welt, der im Gegensatz zum von dir bewohnten nicht mal Meereszugang hat. Die Tür öffnet dir ein Jüngling mit kleinen blonden Mädchen auf beiden Armen. Keine einzige Tapete klebt vollständig an der Wand, Boden, Wände und Decke weisen weder Ebenen noch rechte Winkel auf, Mutter und Vater sitzen verwelkt am Küchentisch und rauchen sich und alles andere unsichtbar.
Sämtliche Türen sind zerkratzt und verschimmelt, du hast deinen neuen Schützling im Wohnzimmer zu beschulen. Die Wand ist gepflastert mit kitschigen Kinderphotos, auf die so viel Weichzeichner geklatscht wurde, dass man schon vom Angucken Diabetes kriegt. Du zählst acht Fortpflanzen (die jedoch alle gleich aussehen) und ertappst dich eine fürchterliche Schrecksekunde lang dabei, einer Streichung des Kindergelds für Hartz-IV-Empfänger zustimmen zu können. Kein Buch weit und breit, dafür widerlich bestickte Kopfkissen auf Sitzgelegenheiten, die alle von verschiedenen Sperrmüllhaufen zusammengeplündert sind.
Der Wortschatz deines Schülers besteht nur aus „Ja.“ und „Nein.“, womit er dir alle W-Fragen beantwortet nach seiner Schule, was gerade das Thema ist und wobei du ihm helfen sollst. Von der Mutter hörst du in der ganzen Stunde durch die Tür hindurch keinen vollständigen, normal vorgetragenen Satz – nur gekeifte Imperative, mit denen sie ihre Brut in Schach hält. Zwischendurch packt dich Paranoia, du musst an den Hof von „Texas Chainsaw Massacre“ denken und fragst dich, ob du hier lebend rauskommst.

Sagenhaft. Wirklich sagenhaft. Du glaubst, das ist gar nicht real. Kann nicht sein, weil es dermaßen grell übertrieben ist. Das ist alles gestellt, ein Psychotest der Volkshochschule: Die wollen gucken, wie hart im Nehmen du bist. Und wenn du selbst dem Dumpfi dort inmitten seiner apathisch-cholerischen Familie zwischen Sperrmüll was beibringen kannst, dann wirst du zum Special-Socialworker-Agent oder sowas ausgebildet, der im finstersten Lampukistan mit nichts als einem Rotstift und einem Stück Kreide abgeworfen wird und dort dann die Menschenfresser unterrichten soll.
Warum auch nicht? In den Ausschuss für die Abschlussprüfungen bist du ja als Deutsch-Dozent quasi automatisch gekommen. Nun bist du schon Prüfungskommissar mit Parkberechtigungskarte für den Volkshochschul-Parkplatz, jaha!

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