Man frage nicht

„Man frage nicht, was all die Zeit ich machte“, nee, so kannst du nach drei Jahren Blogpause nicht wieder anheben. Das wäre vermessen.

Was also hast du in der Dauerpause deines Blogs getrieben? Während du hier zuletzt mit dem audiatur et altera pars zugunsten einiger älterer und jüngerer Herren beschäftigt warst, hast du versucht, mit einem kostenlosen Lokalkulturblatt dem Lichtwolf ein lukratives Schwesterchen zu schenken. Inzwischen ist Günter Grass tot, die FDP aus dem Bundestag geflogen und auch NOR-A ist insofern gescheitert, als der Kulturanzeiger „nur noch“ ein (wenn auch rühriges) Regionalblog für deinen nordwestdeutschen Heimatwinkel ist.

Anstatt dich insofern zu sanieren, als es dir die Möglichkeit der Subsistenz durch schreibende Tätigkeit erschlossen hätte, ist mit der gedruckten NOR-A alles Geld verbrannt, das du dir nach der persönlichen Finanzkrise angespart hattest. Womit eine neue persönlichen Finanzkrise anbrach inkl. neuerlichen Alg-II-Bezugs, aus dem dich schließlich ein Festvertrag herausholte.

Während des Philosophiestudiums hattest du ob ihrer ungewissen Zukunft verzweifelnde Kommilitonen wahlweise des Verrats an der schönsten aller Wissenschaften bezichtigt oder sie an den bevorstehenden demographischen Wandel erinnert. Er würde im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts hierzulande jeden, der einen Stift halten kann, irgendwie in Lohn und Brot bringen.

2013ff. bist du davon überrascht worden, wie sehr Recht du damit hattest. Durch das immer häufigere Ausscheiden der Pensionäre und Rentner an den Betriebsspitzen entsteht ein Kamineffekt, der selbst einen überzeugten underachiever wie dich die Karriereleiter hochsaugt – imposter syndrome hin oder her.

So bist du heute weiter weg vom prekären Durchwurschteln als je zuvor in deinem Leben und erinnerst dich daran, was dein Sozialkundelehrer euch in der 9. Klasse mit auf den Weg gab. Wahrscheinlich warst du der einzige, der es mitgenommen hat: Er malte eine Linie an die Tafel und schrieb an ein Ende „Freiheit“, an das andere „Sicherheit“. Jede Gesellschaft und jedes Individuum, so dein Sozialkundelehrer, müsse sich für eine Position auf dieser Linie entscheiden.

freiheit-sicherheit

Wer einem verbeamteten Lehrer vorwirft, für ihn sei es recht billig, sich über Freiheit und Sicherheit auszulassen, hat es nicht verstanden. Der Preis für Sicherheit ist die Freiheit und umgekehrt und von beidem braucht man etwas. Du gönnst es deinem Sozialkundelehrer, dass er heute als Pensionär die Stammkneipe vollqualmen kann, aber du hast die Beamten nie um den Preis beneidet, den sie zahlen müssen.

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