Zur Verteidigung einiger jüngerer Herren

Zu den Grundpfeilern deiner politischen Identität gehörte es lange Zeit, alles, was von FDP und CSU kommt, mit Gründen falsch zu finden. Sie haben es dir auch stets leicht gemacht wie in den Fällen Steuersenkungen oder Betreuungsgeld. Das Imperfekt allerdings verrät: Tempi passati!
Als vor zwei Jahren Opel am Rande der Insolvenz stand, forderte ein aufstrebender CSU-Mann an der Spitze des Bundeswirtschaftsministeriums, der Staat solle sich da gefälligst raushalten und nicht mit Milliarden an Stelle der Konzernmutter General Motors einspringen. Seiner Beliebtheit bei der BILD tat das keinen Abbruch, wie auch manch spätere öffentliche Händel, einzig die Opposition, allen voran die SPD tobte. Deren Spitzenleute setzen sich in solchen Fällen den Helm auf und tun, als wären sie mit Herz und Steuerkasse bei den Kumpeln und Malochern – wie weiland bei Holzmann der Gerd Schröder, ausgerechnet er.
Zu Recht stellt sich die Frage, wo diese Menschenfreunde sind, wenn gut geführte Handwerksbetriebe mit vollen Auftragsbüchern pleite gehen, weil die Kundschaft keine Zahlungsmoral hat und die Banken ihr Geld lieber selbst behalten anstatt es auszuleihen? 11.000 Entlassene sind schlimmer als fünf? Das wird für den Einzelnen so wenig Unterschied machen wie für die Arbeitslosenversicherung, die 1927 ja gerade noch rechtzeitig gegründet worden ist. Es ist also kaum erträglich richtig, dass die FDP staatliche Hilfen für Schlecker – hier in Form einer auch arbeitsmarktpolitisch unsinnigen Auffanggesellschaft – abgelehnt hat. Ein Unternehmen – und so sieht es die Linke auch -, das „wie eine Würstchenbude“ geführt wurde, das viel zu lange ohne Sinn und Verstand expandierte, das jede Gesetzeslücke ausnutzte, um aus seinen Angestellten so viel Arbeitskraft wie möglich für so wenig Lohn wie möglich herauszuquetschen, und das deshalb von den Kunden boykottiert wurde, kann nicht weiterbestehen. Jedenfalls nicht, ohne die Bedingungen der gegenwärtigen Wirtschaftsordnung so grundlegend in Frage zu stellen, wie die FDP es nie tun würde; die Linke schon eher, deren ältere Mitglieder mit der Praxis, morsche Unternehmen mit Staatsknete künstlich in Gang zu halten, noch vertraut sind.

Es ist ärgerlich, aber notwendig, der FDP in diesem Punkt – wenn auch etwas später als neulich im Falle Grass – beizuspringen. Als wäre es nicht schon anstrengend genug, wenn Beschützerinstinkt und Einsicht bei der Meinungsbildung über Abneigung und Gewohnheit triumphieren, nein: Fälle wie der Streit um Staatshilfen für Schlecker (Stabreim FTW) machen dir überdies auch noch die abspenstig, deren Meinung du sonst eher teilst.
Dass gerade Wahlkampf ist, entschuldigt nicht die Art, wie SPD, Grüne und Linke der am Boden liegenden FDP noch einige Tritte versetzten, als sie mit quasi letzter Kraft an die ordnungspolitische Vernunft mahnte. Neben diesem Verstoß gegen die Pausenhofehre ist es auch arg heuchlerisch und opportunistisch, wenn der politische Gegner Rösler und Co. Herzlosigkeit vorwirft. Als wäre die FDP je für ihre Herzenswärme gewählt worden.
Natürlich hätte sich Rösler das Wort von der „Anschlussverwendung“, um die sich die Schlecker-Angestellten jetzt kümmern sollten, ebenso sparen können wie Grass seine Erwartung, als Antisemit abgestempelt zu werden. Es ist ja wegen solcher Fehlgriffe nicht falsch, dass Israel auf dem Pulverfass mit Wunderkerzen spielt und der Arbeitsmarkt Verkäuferinnen im Einzelhandel gerade gute Chancen bietet – nur will der Fehlgriffe wegen keiner mehr darauf eingehen. Selbst der kluge (und hübsche) Jakob Augstein (der gestern bei SPON als erster publizistischer Mittelständler den geprügelten Grass in Schutz nahm) verstieg sich in Sachen Schlecker zu dem Ausruf, die Pleite sei eine Sauerei. Er tut zwar Recht daran, auf die Gesetzeslage hinzuweisen, die den für die Angestellten verhängnisvollen Schleckerschen Schlendrian möglich gemacht hat. Augstein bringt aber leider auch die übliche Kabarett- und Stammtischwendung vor, für Banken würden locker die Milliarden klargemacht, die für Bildung und Soziales angeblich fehlen. Das ist Populismus, der es gerne einfach genug für Parolen hat. Zahlungsunfähige Unternehmen gehen ohne Staatshilfe pleite, ihre Angestellten erhalten Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, in die sie eingezahlt haben. So „einfach“ wäre die Pleite einer großen Bank nicht und die menschlichen Schicksale dahinter wären noch ärger als die bei Arbeitslosigkeit. Man stelle sich vor, wie es weiterginge, wenn Zehntausende statt ihres Lohn oder ihrer Rente am Kassenschalter bloß die Auskunft erhielten, ihre Einlagen seien komplett in griechischen Staatsanleihen versenkt worden und die Bank habe Gläubigerschutz beantragt.

Vom Ausmaß des dann zu erwartenden Mobs noch ein Stück entfernt war die Welle der Empörung, die Sven Regner vor zwei Wochen nach seinem Wutanfall über Raubkopierer und Urheberrechtskritiker entgegenschlug. Die Verteidigung dieses jüngeren Herren erfolgt aber erst morgen; zuerst gilt es, hier eine Insolvenz zu verhindern.

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