And I’m proud to be an American where at least I know I’m free.
And I won’t forget the men who died, who gave that right to me.
And I’d gladly stand up next to you and defend her still today.
Cause there ain’t no doubt I love this land. God bless the USA…
– Lee Greenwood, „God Bless The U.S.A.“ (1984)
Das Lied „God Bless The U.S.A.“ hast du für bitterböse Satire gehalten, als du es das erste Mal aus dem Mund eines obdachlosen Kriegsversehrten in irgendeinem Film gehört hast. Die Fallhöhe zwischen einem, der „für sein Land“ alles riskiert hat, und diesem Land, das ihn seinem traurigen Schicksal überlässt, war zu groß, um kein mindestens irritiertes Lachen auszulösen. Schwer zu sagen, ob das von der Regie beabsichtigt war – oder von Lee Greenwood, dessen Bibel-Anleihen in der ersten Strophe auf die blasphemische Albernheit hinauslaufen, Hiob wäre als freiheitsgläubiger US-Amerikaner besser dran gewesen.
Freiheit von und zu
Philip J. Dingeldey hat in einem sehr schönen Text in LW65 unter Bezug auf Hannah Arendt, die sich dabei wiederum auf Aristoteles berufen kann, argumentiert, ein Mensch in Not könne sich nicht um öffentliche Angelegenheiten kümmern. Freiheit von existentiellen Nöten ist Voraussetzung der Freiheit zu politischer Teilhabe. Die freien Bürger bei Aristoteles sind – wie die in den USA – nur diejenigen, die in der Geburtenlotterie das große Los gezogen haben: Zur Bewältigung der Mühen des Alltags haben sie ihr Personal und damit Zeit für Lektüre, Auftritte und Ämter.
Bessere Sklaverei
Auch im Computerspiel „Elite: Dangerous“ gibt es Sklaven und die sind eine Handelsware, die freilich außerhalb der Weltraummonarchie des Empire illegal (und damit besonders lukrativ) ist. Demokratisch sozialisierte Gamer schließen sich selbstverständlich der Federation an, die leider weniger mit dem Verein gemein hat, dem Jean-Luc Picard angehört(e), als mit den USA, die mit ihrem Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell anno 3306 mehrere Sternsysteme beglücken.
Die Sklaverei ist ein wesentliches Distinktionsmerkmal zwischen Federation und Empire. In der Beschreibung der großen Fraktionen heißt es:
„Some observers point out, however, that conditions for those at the lowest levels of Federal society are worse than those experienced by Imperial slaves.“
Seneca lobt seinen Freund Lucilius im 47. Brief für seinen schonenden Umgang mit und das vertrauensvolle Verhältnis zu seinen Sklaven, die man stets mit sich am Tisch essen lassen sollte, damit sie einem nichts Übles wünschen. Denn die Sklaven sind die eigentlichen Haushälter. In gewisser Weise nimmt Seneca damit Hegels Dialektik von Herr und Knecht vorweg – und Kant sowieso, wenn der es nicht verböte, einen Menschen nie bloß als Mittel, sondern zugleich auch als Zweck an sich zu behandeln:
„Lebe mit dem Untergebenen so, wie du wünschest, daß dein Vorgesetzter mit dir lebe.“
Gibt es in allen Zeiten zwischen Antike und 3306 nicht so manchen, der in Leibeigenschaft ganz gut aufgehoben wäre? Für seine Grundbedürfnisse wäre gesorgt, das Brot im Angesicht seines Schweißes essen müsste man ja ohnehin, man ist aller Entscheidungen und damit jeder Verantwortung ledig und die herrischen Gemeinheiten nähme man täglich hin voller Vorfreude darauf, sie einer noch erniedrigteren Kreatur heimzuzahlen…
Selbst wer das Glück hat, einem Seneca dienen zu müssen, ist doch Eigentum eines anderen Menschen, und diese Infamie bleibt auch dann eine solche, wenn der Betroffene ganz und gar damit einverstanden ist – weil er z.B. einen Arbeitsvertrag unterschrieben hat. Damit ist er in einer Welt, in der Freiheit hauptsächlich Auswahl bedeutet, besser dran als diejenigen ohne Arbeitsvertrag. In diesen Krisentagen macht ein Bild aus Las Vegas die Runde, wo auf Parkplätzen Quadrate aufgemalt sind, in denen Obdachlose im infektionsschützenden Abstand zueinander schlafen, während die Hotels ringsum leerstehen. But at least they know they’re free.
So bleibt richtig, was Michail Bakunin vor bald 150 Jahren unter der Überschrift „Sozialismus und Freiheit“ festhielt:
„Die ernsthafte Verwirklichung von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden bleibt unmöglich, solange die große Mehrheit der Bevölkerung vom Besitz der elementarsten Güter des Lebens ausgeschlossen, solange sie ohne Bildung und zu politischer und sozialer Bedeutungslosigkeit und Sklaverei – wenn nicht de jure, so doch de facto – verdammt ist […] Wir sind überzeugt, daß Freiheit ohne Sozialismus Privilegienwirtschaft und Ungerechtigkeit, und Sozialismus ohne Freiheit Sklaverei und Brutalität bedeutet.“
1 Gedanke zu „Freiheit ist Sklaverei“