Die Identität des Menschen

Der Frage, wer oder was der Mensch sei, müsste zunächst die Klärung vorangehen, ob man das Individuum Mensch, wie du es an dir selbst beobachten kannst, oder die Kategorie Mensch erfragt. Beide Ansätze weisen ihre eigene Schwierigkeit auf: Steht das Einzelwesen im Zentrum der Frage, so kommt die Gemeinschaft zu kurz; dem Gemeinschaftswesen wiederum ist schwer auf die Schliche zu kommen, wenn man es nicht zuvor als Einzelwesen betrachtet hat.
Wegen der eigentümlichen Verschränkung von Hiersein und Dasein im Menschen ist es nicht möglich, nach dem Menschen wie nach Hierseiendem oder nach Daseiendem zu fragen. Du kannst fragen, was dieser Stein hier (als Hierseiendes) ist und was alle Stein der Welt (als Daseiendes) sind. Nach dem Menschen dagegen muss zugleich als Hierseiendes wie Daseiendes gefragt werden, also nach dem konkreten Menschen, der du im Hier und Jetzt bist, und der Kategorie des gleichnamigen Gemeinschaftswesens, der du angehörst.
Dies wird an der Frage nach deinem „Wer“ deutlich. Welche Gleichheit ist mit dem Wort „Identität“ gemeint? Ein und derselbe Begriff beschreibt in der Logik Gleichheit und in Bezug auf dich was? Die Gleichheit von Fremd- und Selbstwahrnehmung, die Gleichheit von innen und außen, die Gleichheit vom Hierseienden und Daseienden, das du bist.
Es ist indes eine unlogische Gleichheit, mehr ein unsteter Schnittpunkt des Hier- und Daseins, das dir (und allen anderen) durch dich und alle anderen zukommt. Der Mensch schlechthin ist zu einem guten Teil auch das, was du ihm zuschreibst. Könntest du viele Menschen davon überzeugen, dass der Mensch eigentlich fliegen können müsste, würde man ihn gewiss bald als „flugunfähigen Landsäuger“ bezeichnen.

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