Im aktuellen Lichtwolf bringt der gute Marc Hieronimus seine Klage über die Jugend von heute elegant auf den Punkt:
„Wir waren noch anders. Und wir waren schon scheiße.“
Das macht immerhin einen neuen Dreh in die ewige Klage über die Jugend von heute, die sich angeblich schon bei Sokrates findet:
„Die Jugend liebt heute den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt mehr vor älteren Leuten und diskutiert, wo sie arbeiten sollte. Die Jugend steht nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widerspricht den Eltern und tyrannisiert die Lehrer.“
Vor allem aber beömmelt sie sich über ausgedachte Zitate, denn in Platons Schriften findet sich dieses angebliche Urteil des Sokrates nicht.
„You want to be famous and rich and happy
But you’re terrified you have nothing to offer this world
Nothing to say and no way to say it
But you can say it in three languages“– KMFDM, Dogma (1996)
Zwei Mitglieder der um die Jahrtausendwende geborenen und darob im Englischen „millenials“ oder Generation Z genannten Kohorte unterhalten sich lautstark über – naja, über was? Die eine krakeelt, die Kekse einer bestimmten Marke seien „das Beste“ (also besser als Sex, Steuererstattungen und Fischstäbchen mit Pommes?!); als sie von ihrem Muttertier damit beschenkt wurde, habe sie „das so derbe gefeiert.“ Antwort des anderen: „Is’ so.“ – vermutlich nicht „Iss so.“, was aber auch nicht viel mehr Sinn ergeben hätte.
Der propositionale Gehalt der Aussage lautet: „Diese Kekse schmecken mir.“ Was soll der illokutionäre Akt sein? Versuchen die beiden, einander kennenzulernen? Anhand von Konsumgewohnheiten? Könnte man auf „Ich verreise gern.“ oder „Das Ergebnis der Bundestagswahl beunruhigt mich.“ noch mit einer mehr oder weniger interessierten Gegenfrage reagieren und auf diese Weise ein Gespräch im Sinne von Dialog führen, bleibt auf „Diese Kekse schmecken mir.“ (in zeitgemäßem Idiom) als Antwort nur die blanke Affirmation: „Ja.“ (Und vielleicht geht es ja auch nur darum, so ein verbales Like abzugreifen.)
Fortsetzung des „Gesprächs“, das sich nur in seiner unüberhörbaren Lautstärke von einem Loriot-Sketch unterscheidet, durch das adoleszierende Männchen: „Junge! An Martini hat meine kleine Schwester einen ganzen Rucksack voll [irgendein Süßkram] gekricht, das sind die geilsten ever!“
Je inhaltsärmer das Gespräch, desto hyperbolischer muss es wohl geführt werden.
1 Gedanke zu „Dem Jungvolk aufs Maul geschaut“