Diese Woche ist Bernd Fritz mit 71 Jahren gestorben. Als früherer Titanic-Chefredakteur legte er Thomas Gottschalk bei „Wetten, dass…“ damit herein, die Farbe von Buntstiften am Geschmack erkennen zu können. Später machte sich der berüchtigte Weinkenner u.a. bei der FAZ, bei der Titanic-Größen halt meistens landen, mit Bierrezensionen einen Namen. Seine letzten Meter Lebensweg legte er in seinem rheinhessischen Geburtsdörflein Bechtheim (1.838 Einwohner laut Wikipedia) zurück.
Freddy Langer stellt Fritz in seinem sehr freundlichen Nachruf in der FAZ als Dandy dar – als verspielten Genussmenschen, dem das Leben zu teuer war, um es mit billigen Ärgernissen zuzubringen.
Dem Pressekodex nach soll zur Vermeidung des Werther-Effekts über Selbstmorde nur äußerst zurückhaltend berichtet werden. Es liegt einige Ironie darin, dass lediglich die Titanic in der Vermeldung des Todes ihres früheren Chefs die causa mortis verschweigt und es bei der Nennung des Alters belässt. In der Wikipedia heißt es dagegen mit für diesen Ort ungewöhnlicher Poesie, Fritz „schied […] freiwillig aus dem Leben“. Auch Langers Nachruf endet mit den Worten „das Leben genommen“; und zwar an Ostersonntag, was für einen mutmaßlichen Atheisten (denn anders sind die Neuen Frankfurter Schüler schwer vorstellbar), aber ganz besonders für eben einen Dandy mächtig Stil hat…
„Muth aber ist der beste Todtschläger, Muth, der angreift: der schlägt noch den Tod todt, denn er spricht: ‚War das das Leben? Wohlan! Noch Ein Mal!‘
In solchem Spruche aber ist viel klingendes Spiel. Wer Ohren hat, der höre. –“
– Nietzsche, Also sprach Zarathustra
Was ist das mit den Dandys und dem Selbstmord? Der 83-jährige Fritz J. Raddatz reiste 2015 zum assistierten Suizid in die Schweiz, Gunter Sachs – wenn auch eher Playboy als Dandy, wenn auch depressiver Sohn eines Suizidenten – erschoss sich 2011 mit 78, um sich Alzheimer zu ersparen. Durchweg jünger und anders bedrängt waren Klaus Mann und Egon Friedell. Der „Dandy-Forscher“ Günter Erbe kennt noch weitere Beispiele von solchen Selbstmördern; allesamt Gentleman mit Chic und Esprit, Charme und Stil, Extravaganz im Verein mit besten Manieren und feinstem Geschmack, distanziert und liebesbedürftig – das völlige Gegenteil der dumpfen Brutalos, die sich feist und dumm der repressiven Entsublimierung ringsum erfreuen dürfen.
In einer Welt, die immer hässlicher und gröber wird, alt und hilfsbedürftig zu werden ist schon für weniger feinnervige Menschen eine schwer erträgliche Zumutung. Dann doch lieber mit einem nietzscheanischen „Schön war’s! Bis zum nächsten Mal!“ das Etablissement verlassen, solange man noch nicht lügen muss.