Sklaverei im Vorgarten

Jeder hat Läuse, idealerweise nur im Garten und nicht in Haaren und Klamotten. Du gehörst zu diesen Halbglücklichen; „halb“, weil richtig ideal dem Gärtner die gänzliche Läusefreiheit wäre, die nicht zu haben ist und die, wäre sie es, böse-ironische Konsequenzen hätte. Schließlich ernährt sich manch ein Nützling von der Florfliege über die Gallmücke und Schlupfwespe bis zum Marienkäfer von den Läusen. Und auch Freund Hautflügler würde ohne Läuse etwas fehlen, und zwar etwas zum Versklaven.

An den Efeuspitzen wimmelt es nur so vor Läusen bzw. vor eben jenen Ameisen, die dort die Läuse festhalten und abmelken. Die Suchmaschine spuckt eine ganze Reihe von Artikeln aus, die sich vor gut zehn Jahren mit der Läusehaltung der Hymenoptera beschäftigten: Die Berliner Morgenpost schrieb darüber, Spon natürlich auch und die WELT brachte gleich zwei Artikel zum Thema binnen eines Jahres, dessen letzterer die Ameisenforscherin Susanne Foitzik portraitiert. Sie erklärt das Verhalten der Ameisen analog zur menschlichen Landwirtschaft: So, wie Ameisen Pilze züchten und ernten, betreiben sie auch Viehhaltung, nämlich mit Läusen. (Sie erklärt auch, warum das – anders als die klickhaschenden Überschriften der Online-Outlets der Großverlage und von randständigen Blogs suggerieren – eben keine Sklavenhaltung ist; bei der nämlich würden Artgenossen gewaltsam ausgebeutet, und auch das machen Ameisen.)

Anlass der Aufmerksamkeit, die 2007 der vorindustriellen Lausviehhaltung der Ameisen zuteil wurde, war eine Studie von Thomas H. Oliver, Alla Mashanova, Simon R. Leather, James M. Cook und Vincent A.A. Jansen, die in den „Proceedings of the Royal Society B“ veröffentlicht wurde. Eine Symbiose ist das nicht, was Ameise und Laus verbindet, es sei denn, man wolle davon auch bei Mensch und Milchkuh sprechen: Die Laus ernährt sich von Grünzeug und scheidet süßen Honigtau aus, den sich die Ameisen schmecken lassen und dafür auch „ihre“ Läuse gegen Fressfeinde verteidigen.

Die Biologen hatten untersucht, wie Ameisen regelrecht Läuseherden bilden, um sie leichter ausbeuten zu können. Mit Biochemie hemmten sie die Entwicklung der Flügel bei „ihren“ Läusen oder bissen jene einfach ab, damit das Viehzeug sich nicht davonmachen kann. Noch besser, wenn man die flugunfähig gemachten Honigtaukühe am luftigen Ende von Efeutrieben zusammenpfercht.

Die Läuseherde der Ameisen am Ende des Efeus.

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