Der am Freitag aufgetauchte Videomitschnitt von Donald Trumps Bekenntnis, sich als Star sogar sexuelle Übergriffe herausnehmen zu können, brachte das Fass zum Überlaufen und eine Reihe von prominenten Republikaner dazu, sich von ihrem Präsidentschaftskandidaten zu distanzieren – wofür seine Lügen und Gewaltaufrufe, seine Inkompetenz und sein Rassismus zuvor nicht hinreichten. Erwartungsgemäß dreht Trump nun erst recht auf und „seine“ Partei durch den Fleischwolf.
Man könnte sich zufrieden zurücklehnen in der Gewissheit, Trumps Chancen auf den Einzug ins Weiße Haus seien nun endgültig gleich Null – wenn es denn mehr als nur eine scheinbare wäre und man keine Lehren aus dem Brexit gezogen hätte.
Das britische Referendum stellte die Wähler vor eine Entscheidung für oder gegen den Austritt aus der EU. Diese war aber auch eine gegen oder für die EU, die auch unter den Briten, die keine glühenden UKIP-Anhänger sind, so wenig Begeisterung auslöst wie Hillary Clinton unter sehr vielen US-Amerikanern. Diejenigen von ihnen, die Trump auf keinen Fall als US-Präsidenten wollen, aber auch nicht für Clinton stimmen möchten, könnten zu Hause bleiben und am 9. November ähnlich schockiert wie manch ein Brite nach dem Referendum aufwachen: Meine Stimme hat wirklich gezählt? Bzw. meine Stimme hat wirklich gefehlt?
Die größte Gefahr geht nun weniger von WikiLeaks-Enthüllungen über die US-Demokraten (with love from Russia) aus als davon, dass unentschiedene Wähler und frustrierte Demokraten, die für Bernie Sanders brannten („Feel the Bern“), am Wahltag zu Hause bleiben werden, weil sie Trump für ohnehin gescheitert halten. Ein bisschen wie im Horrorfilm, wenn die überlebenden Helden das Monster für besiegt halten und sich erleichtert in die Arme fallen, während im Hintergrund langsam…
US-Gutmenschen
Ansonsten scheint in den USA – angesichts der politisch zerrissenen Stimmung wenig überraschend – ein Äquivalent zum pejorativen „Gutmensch“ in Gebrauch zu sein: Man spricht dort vom „SJW“, kurz für „Social Justice Warrior“.
Entdeckt hast du den Begriff in Peter Mühlbauers Telepolis-Artikel über die Seminare der Duke-Universität zu „toxischer Maskulinität“. Das Urban Dictionary sieht den SJW anscheinend nur im Internet aktiv, während der deutsche Gutmensch ja auch IRL Vereine gründet, Sachen spendet, Deutsch unterrichtet, am Bahnhof klatscht und den abwertend gemeinten Begriff inzwischen durchaus zur stolzen Selbstbezeichnung macht (denn von Schwulen lernen heißt siegen lernen!):
„Social Justice Warrior. A pejorative term for an individual who repeatedly and vehemently engages in arguments on social justice on the Internet, often in a shallow or not well-thought-out way, for the purpose of raising their own personal reputation.“ (Urban Dictionary)
2 Gedanken zu „Trumps Comeback und SJWs“