Glückliches Unschreiben; es ist gut.

„Weil der Augenblick,
in dem das Wort glücklich
ausgeprochen wird,
niemals der glückliche Augenblick ist.“
– Hans Magnus Enzensberger, „Weitere Gründe dafür, daß die Dichter lügen“, in: „Der Untergang der Titanic“

Nichts ist dem Schreiben abträglicher als Glück. In Wut und Trauer zu schreiben ist das Leichteste, doch schon beim Lachen ist kaum noch an schreiben zu denken und im Glück gar nicht mehr. Dessen Anlass verschwindet im Sublimen und mit seiner Benennbarkeit jeglicher Mitteilungsdruck. Es gibt hier niemanden, mit dem etwas in Menschensprache zu teilen wäre, und somit keine Not, etwas zunächst in Sätze ein- und in Begriffe aufzuteilen.
Die Welt ist. Die Gedanken verlieren ihre Worthaftigkeit, sie werden wie Luft, in der Wortwolken schweben, die kommen und gehen. Licht bricht sich spektakulär in ihnen, sie zerfließen und sind bald darauf wie nie gewesen. Das jämmerliche Streben nach Werken, die ihren Schöpfer überdauern, hat sein schamvoll verdrängtes Vorbild im Widersinn, Wolken feststecken zu wollen.
Die konsequentesten Formen des Schreibens sind der Brief und die ihm verwandte Zeitschrift ohne Neuauflage. Konsequenter als das vielfältige und beständige Buch und weitaus konsequenter als das Internet, wo alles nur darauf wartet, gefunden und überarbeitet zu werden.
Die Schöpfungsgeschichte beginnt mit einer Lüge: „Am Anfang war das Wort.“ Alle Worte der Menschen werden wie das Marsgesicht sein: Eine aus dem Willen zur Reflexion in der Welt in Staub und Schatten gestellte Täuschung, die sich aus einem anderen Blickwinkel auflöst. Was für eine grandiose Hoffnung!

Links die Aufnahme der Viking-1 von 1976, rechts dasselbe Marsgesicht, aufgenommen von Mars Global Surveyor im Jahr 2001.
Links die Aufnahme der Viking-1 von 1976, rechts dasselbe Marsgesicht, aufgenommen von Mars Global Surveyor im Jahr 2001.

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