Es ist ein Privileg der Buchverlage, sich ihre Preispolitik bei E-Books von nölenden Leserbriefbloggern vorhalten zu lassen. Nämliche ist in der Tat unverständlich, wo sich diese Verlage aus reinem Spaß an der Freude seit Jahren in die Insolvenz sparen. Das Genörgel übers Preisschild muss ja irgendwohin, wenn es denen ganz aus dem Sinn kommt, die vor dem Apple-Store campieren, um morgens zu den ersten gehören zu dürfen, die hunderte von Euros auf die Theke latzen, um die neueste Version eines Geräts zu kaufen, das sie schon vor Jahren als Erster im Freundeskreis hatten. Freilich steckt im formschönen Elektroschrott viel Arbeit und Aufwand. Da ist einmal der Materialwert, der – anders als beim E-Book – immerhin ein-, zweihundert Euro beträgt. Hinzu kommen die enormen Arbeitskosten, die in den menschlichen Legebatterien von Foxconn anfallen und den grotesk überbezahlten freien Verlagsmitarbeitern eine Lehre sein sollten. Auch der ökologische Gedanke will eingepreist sein, schließlich ist es mit Kosten verbunden, die zum Teil bereits ein oder gar zwei Jahre alten Vorgängergeräte an afrikanischen Stränden zu verklappen. Zu guter Letzt soll ja auch Apple ein wenig von seinen Ideen und Patenten leben, die so eifersüchtig von Anwälten gehütet werden, wie man es sich heutzutage von Urheberrechten gar nicht mehr wünschen darf. Immerhin ist Apple – anders als die rein renditefixierten Buchverlage – trotz der 30-Prozent-Rabatte, die es von und für jedes auf seine Geräte geladene Stück Code (von der App bis zum E-Book) einbehält – ein Unternehmen, dessen Jahresgewinn 2010 um die 14-Mrd.-Dollar-Marke herumkrebste und damit gerade mal dem Bruttoinlandsprodukt von Namibia oder Honduras entsprach.
Die wenigen, die dem E-Book zum Durchbruch verhelfen wollen, indem sie den Vertrieb peer to peer in die eigene Hand nehmen und die Preise auf 0 Euro festlegen (irgendwie muss der Gerätepreis amortisiert werden), kämpfen mit ihrem schlechtes Gewissen. Es findet kaum Erleichterung darin, sie würden zum einen nur den großen Verlagen schaden, die irgendwas nicht von der Musikindustrie gelernt haben und darum die eigentliche Schuld für Raubkopien tragen; die Kleinverlage, die den Endkundenpreis von null Euro nicht auf Dauer unterbieten können, haben sich eben am Markt nicht durchsetzen können. Von ihnen und über sie ist in der E-Book-Diskussion nichts zu lesen, weil sie ihre E-Books günstiger als ihre Taschenbücher und ohne Kopierschutz anbieten. (Nicht, dass einer auf die Idee kommt, zur Selbstermächtigung gegen die dummen und gierigen Konzerne gehöre mehr als etwas Markenelektronik und die sofortige und kostenlose Befriedigung der Konsumlust.)
Über Kleinverlage lässt sich nicht meckern, nur ist das die zentrale Ausdrucksform der digitalen Öffentlichkeit: der „Rant“ (wie der vorliegende). Nachdem gar nichts mehr ohne eine vorangegangene Marketing-Prüfung (Was nützt mir das? Wie lässt mich das dastehen?) überhaupt noch denkbar scheint, besteht scheinbar gerechtfertigtes Misstrauen gegen jede Art von Affirmation. Wer ein Apple-Produkt lobt, hat dafür hoffentlich wirklich auch etwas erhalten, denn genau das wird ihm unterstellt. Dabei generieren die großen Verlagsseiten und Alphablogger mit nichts so viele Klicks wie mit einem Rant gegen irgendwas. Er lockt die „Endlich-schreibt’s-mal-einer“-Fraktion ebenso wie die empörten Abo-Kündiger und Qualitätsbedaurer. Wer also marketingmäßig was reißen will, sollte Tiraden über seine Kundschaft in Auftrag geben und bei der Produktgestaltung darauf achten, dass man im Netz immer etwas daran auszusetzen hat.
Diese Text wurde nicht bezahlt, soll aber dafür sorgen, dass man sich die preiswerten und sehr guten E-Books vom catware.net Verlag kauft, an denen man bestimmt trotzdem super herumnörgeln kann!
Nachtrag, 24.01.12: Text jetzt auch ohne Rechtschreibfehler lesbar.
Nachtrag, 22.03.12: Inzwischen haben sich Berichte über die Zustände bei Apples chinesischen Zulieferern als „dramatisiert“ entpuppt.
1 Gedanke zu „E-Books Scheiße, alles Scheiße“