Heute Abend hat Klaus-Peter Wolf in der hiesigen Sparkasse aus seinem neuen Ostfriesland-Krimi gelesen. Nun sind Krimis überhaupt nicht dein Ding, aber mehr Kultur als eine solche Lesung ist hier nicht zu kriegen, also hin. Es war auch gerammelt voll, freilich waren sämtliche Honoratioren zugegen, die du noch vor Jahresfrist bekellnert hast und die dich im bügelfrischen, weißen Hemd gar nicht wiederzuerkennen schienen. Du besorgtest dir erstmal den versprochenen Cocktail und harrtest an einem Tischchen im Hintergrund der Dinge, die da kommen würden.
Die launige Eröffnungsrede vom Sparkassenboss war insofern gut, als sie keine Katastrophe war und die Leute nicht nur aus Mitleid zum Lachen brachte. Die Lesung aus Wolfs neuestem Krimi war nicht das literarische Erlebnis, das du ohnehin nicht erwartet hattest. Der gelegentliche Nebensatz als ärgste Herausforderung der Leserschaft, hier und da mit etwas Wortstuck aufgehübscht, alles andere als haarsträubend. Durfte der Fischer-Lektor, der ebenfalls eingangs ein paar kumpelhafte Worte über Wolf verloren hatte und dabei selbst wie ein trunksüchtiger Trash-Autor wirkte, das Manuskript vor dem Druck nur lesen, aber nicht überarbeiten?
Dass Krimi-Autoren und -Leser ihre Freude an morbiden Details des Tötungsaktes haben, sei ihnen zugestanden; du willst ja aus reinen Geschmacksgründen nichts damit zu tun haben und de gustis non disputandum. Die gute Kollegin Gonzofeva steht ganz offen dazu, sich Krimis als Junk Food für den Geist reinzuziehen und diesem etwas Abwechslung zur akademischen Rohkost oder der Molekularküche einer Marlene Streeruwitz zu bieten.
Aus der Autorenperspektive wiederum ist der Krimi nichts für dich, weil du, wenn du Figuren erschaffen würdest, nur um sie sterben zu lassen, nicht besser als Gott wärest.
Mag das Genre also nur eingeschränkt fragwürdig sein, so ist das in diesem Fall betriebene Product-Placement jedoch gänzlich zum Stirnrunzeln. In welchem Hotel derjenige wohnt, der die Leiche gefunden hat, ist doch scheißegal; der Autor aber freut sich bestimmt auf die kostenlosen Essen, die er dafür im Fährhaus Norddeich bekommt. (Und hungern muss dieser Wolf gewiss nicht.)
Zum Zeitvertreib und damit sich der Abend wenigstens für die Leber lohnt, hast du dir in der Pause ordentlich Weißwein reingeschüttet. Hernach ging es zu den Altvorderen, um den Abend vor der Glotze zu beschließen: ein ordentlicher „Tatort“ aus Münster und danach KDD („Kriminaldauerdienst“) auf arte.
Gewiss, KDD ist überdeutlich von „The Shield“ abgekupfert: die filmische Ästhetik, die Requisite, sogar einzelne Figurenkonstellationen. Insofern ist der Fernsehpreis nur halb verdient; aber zur anderen Hälfte auch wirklich verdient. Denn eine großartige Serie gut zu importieren, das ist auch eine Leistung. Und herrje, auch jenseits der Ähnlichkeiten mit „The Shield“ ist KDD hervorragend, in Bezug sowohl auf Drehbuch als auch auf Charaktere und Schauspieler, denen ihre Theaterkarriere samt und sonders anzumerken ist.
Bemängelt wird an beiden Krimi-Serien, was sie vor allen anderen Krimi-Formaten auszeichnet: Wenn man einmal nicht aufpasst, versteht man gar nichts mehr, und nach jeder Folge ist man fertig mit den Nerven, weil Verbrechen und Schicksal so realistisch und das heißt unspektakulär inszeniert werden.
Das Schicksal von „The Shield“ und KDD im deutschen Fernsehen zeigt indes, wie es in der kulturellen Agorakratie läuft: „The Shield“ ist seinerzeit vor Ende der ersten Staffel im Nachtprogramm von ProSieben abgesetzt worden; KDD hat man freitags nach 23 Uhr auf arte versteckt.
Klar, von Kritikerlob kann man keine Mieten bezahlen. Aber dafür haben wir doch die Öffentlich-Rechtlichen, um nicht nur die bloß auf Publikum und Ökonomie schielende Massenware vorgesetzt zu kriegen!
Nuja, zum Glück gibt’s DVDs – auch wenn KDD in grotesk schlechter Qualität auf die Scheiben gebrannt wurde.