Traunis Verwandtschaft

Kommst du gestern gerade vom Buchhaltungskurs zurück, da wunderst du dich schon, warum Trauni an der Straße auf dich wartet. Macht sie doch sonst nie – was auch ganz gut ist, denn Katzen sollten sich immer von Straßen fernhalten. Da hörst du das Traunchen schon fauchen – offenbar war der Freiherr unterwegs.
Doch weit gefehlt: Als das Gartenlicht ansprang, siehst du, dass Trauni sich mit einer ganz anderen Katze gekabbelt hatte, die du hier noch nie gesehen hast. Eine kleine, schwarze Katze, gar nicht sehr scheu, die aussieht wie ein junges, mageres Traunchen. Die beiden könnten glatt Geschwister sein! (Was hier auf dem Land ja ohnehin speziesübergreifend üblich ist.)
Auf die Frage, ob denn nun bald die ganze Verwandtschaft hier bei dir einzieht, gab es dann aber keine Antwort vom Traunchen, das vor lauter Reviersorge die ganze Nacht auf den Fensterbänken verbrachte und Ausguck hielt.

Da es langsam etwas wärmer wird und du neugierig bist, ob Traunis Cousin sich heute noch einmal blicken lässt, rauchst du nur noch draußen. Gerade eben ist dir Trauni wieder hinausgefolgt. Dem Katzentier ist die Frühlingsvorfreude auch anzumerken. Und dann der Freiherr von Capri – zunächst auf Abstand, dann aber kam er wie vom Hafer gestochen in den Garten galoppiert, geradewegs an dir vorbei. Du weißt nicht, ob er einen Vogel fangen oder Trauni verkloppen wollte, die zwei Schritte neben dir wie angewurzelt stehenblieb, als der Freiherr durchs Unterholz sprengte. Der fand nun nichts und tigerte ratlos umher, ohne zu bemerken, dass vier Augen jeden seiner Schritte beobachten. Nicht nur vier! Die ganze Vogelwelt war in hellem Aufruhr. Als er schließlich Trauni auf der anderen Gartenseite bemerkte, gaben die beiden Katzen wieder ihre dürren Sirenenlaute von sich.
Ach, hättest du nur eine gescheite Kamera, was könnte man hier an spektakulären Tierfilmen drehen!

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