Die Sendung „Querköpfe“ im DLF letzte Woche über sächsisches Kabarett war komisch – nicht haha-komisch, sondern hä?!-komisch. Darin wunderte sich Simone Solga, was denn los sei im Land, dass Satiriker nicht mehr kritisch, sondern eins seien mit der Regierung. (ab 40′03′′)
Man könnte das als Einbildung abtun, da sich kein einziges Kabarettprogramm finden lässt, das voller Lob für die Klima- oder Infektionsschutz-, die Flüchtlings- oder Bildungspolitik wäre. Man könnte auch fragen, wie Solga auf diese Idee gekommen ist. Warum sollte man das tun?
Weil es an ein Unbehagen rührt, das nicht eingebildet ist. Ob es auch Satiriker:innen befallen hat, kannst du nicht sagen, da du keiner bist, aber als Teil des Publikums von Satiriker:innen empfindest du dieses Befremden darüber, seit 2015 immer wieder mal am Stammtisch das Handeln von Regierungen verteidigt zu haben, egal ob du eine ihrer Koalitionsparteien gewählt hast oder nicht. Was ist da los?
Wenn Satire alles darf, außer langweilen, darf sie sich auch über die Opposition lustigmachen oder über Leute, die gegen die Regierung auf die Straße gehen. Sie ist dann aber keine Satire mehr, weil die von unten nach oben angreift. Wenn der Schulhofschläger mit seinem Gefolge das Mädchen mit den Zahnspangen nachäfft, ist das keine Satire. Ist es das, was Solga von regierungstreuem Kabarett raunen lässt?
Wohl nicht, schaut man sich ihr Satireverständnis an: Solga gibt eilig zu, dass es Antisemitismus usw. gibt, und verteidigt dann die spießig-steuerzahlende Mehrheit der Arbeitsameisen, denen egal sei, ob ihr Gegenüber Jude ist, gegen eine Tyrannei laut schreiender Minderheiten. (ab 12′40′′) Der Schlägertyp hört es gern, wenn man ihn vor der Schulsozialarbeiterin in Schutz nimmt. Satire ist auch das nicht.
Da die Kritik aus Sachsen vages Geraune bleibt, kann man nur spekulieren, ob sich Solga ein Kabarett von und für Querdenker, Reichsbürger, Putinfreunde und Menschenfeinde wünscht, das wesenhaft nie satirisch sein kann; und – weil diesen Leuten die für Humor nötige Ambiguitätstoleranz fehlt – auch nicht witzig.
Über Maskengegner, Verschwörungsgläubige, Benzinjunkies und ihre parlamentarischen Vertreter kann (muss) sich Satire sehr wohl lustigmachen, denn die nennen sich selbst Mehrheit und werden nicht mit Beleidigungen und Morddrohungen überschüttet. Ist das etwa diese angeblich staatstreue Satire oder der „Moral-Aktivismus“, den Christian Schüle an anderer Stelle beklagt?
Solgas Kollege Meigl Hoffmann unterstellt in der Sendung gleichfalls ungenannten Leuten, sich auf der sicheren Seite zu wähnen, wenn sie sich an die Richtlinien der Staatsführung in Berlin halten. (ab 8′08′′) Da verrät sich eine nostalgische Sehnsucht nach einem Gegensatz zwischen Regierung und Gesellschaft, den es in einer repräsentativen Demokratie nicht so gibt wie in der DDR.
In LW79 hast du noch spekuliert, ob weite Teile nicht nur Sachsens politisch in einer kindlichen Trotzphase seien, weil sie sich an die Regeln eines Vaters Staat halten müssen, der ihnen weichgespült vorkommt und im Ernstfall nicht helfen kann.
Es bleibt komisch.