Entgegen weit verbreiteter Annahmen wird „das Leben“ mit der Zeit, also im Laufe der Geschichte, nicht leichter, sondern schwerer. Die Unordnung nimmt zu, mit ihr die Unübersichtlichkeit. Du blickst mit Bewunderung auf die Universalgelehrten des Mittelalters. Wieso? Du hättest guten Grund zum Hochmut ihnen gegenüber! Das gesamte damals zur Verfügung stehende Wissen, das diese Gelehrten sich angeeignet haben, wird einem heutigen Schulkind bis zur 10. Klasse vollständig abgefragt. Schon ein Goethe würde beim PISA-Test schlecht abschneiden, ein da Vinci erst recht.
Das Wissen darüber, was du nicht weißt, wächst mit jeder Lektion. Jede Antwort wirft zwei neue Fragen auf. Denn wie sich dem Wanderer mit jedem Schritt neues Unbekanntes am Horizont zeigt anstatt dessen Endes, so kannst du auch nie an ein Ende des Wissens gelangen, wie forsch du auch in nur eine Richtung strebst.
Stattdessen wanderst du hin und her. Du siehst und begnügst dich hier, während du dort immer weiter den Verlockungen dessen folgst (man nennt es „Interesse“), was sich mit jedem Schritt weiter vor dir auftut.
Einer weiß, was Kartoffeln sind, aber weder, wie sie zubereitet werden noch wie sie schmecken. Ein anderer weiß auch, wie sie schmecken, aber weder wie sie zubereitet noch wie sie angebaut werden. Ein weiterer weiß alles über Kartoffeln, jedoch nicht, wie er die Krautfäule verhindern kann. Der erste begnügt sich mit anderen Mahlzeiten; der zweite damit, sich bekochen zu lassen; der dritte begnügt sich mit einer verminderten Ernte.
Sie alle sammeln „Wissen, um zu…“ und begnügen sich, wenn der Zweck erfüllt ist. Sie wandern und kommen an ein Ziel. Der Philosoph sammelt nicht das „Wissen, um zu…“, er wandert, um zu wandern. Wenn er erntet und isst, hört er auf Philosoph zu sein. Doch er muss ernten und essen, um weitergehen zu können. Wenn er nur erntet und isst, um weitergehen zu können, ist er Philosoph.