Glenn Beck

Hollywood variiert das Mythem „Freunde werden zu Feinden, Feinde zu Freunden“ am liebsten auf zwei Arten: Ein Bösewicht macht den Guten über das erste Drittel des Films das Leben schwer, dann erscheint ein größerer Bösewicht, gegen den sich die Guten und Bösen zusammentun müssen. Die andere Variante ist der Widerling, der sich die tiefe Verachtung des Publikums erwirbt, indem er die Protagonisten 89 Minuten lang fertig macht, nur um sich dann im Moment auswegloser Gefahr für alle überraschend zu opfern.

Der TV-Moderator Glenn Beck scheint jüngst Ambitionen entwickelt zu haben, in einer künftigen Verfilmung der Trump-Jahre die Rolle des Unsympathen zu übernehmen, der im entscheidenden Moment auf die Seite des Guten wechselt.

Beck war ein Moderator des konservativen Haussenders FOX News, wie er im Buche steht: Acht Jahre lang verleumdete er Barack Obama als islamistischen Nazi-Kommunisten, brach einmal gar vor Sorge um seine geliebten USA vor der Kamera in Tränen aus und hat maßgeblichen Anteil am Erstarken sowohl der Tea-Party-Bewegung, die für ein maximal liberales Waffen- und maximal restriktives Abtreibungsrecht zugunsten der weißen, bibelfesten Rasse streitet, als auch der Birther-Bewegung, die Obamas Geburtsurkunde und damit die Legitimität von dessen Präsidentschaft anfechtet. Becks erratische Eskapaden brachten ihm unzählige Parodien durch liberale Satiriker wie Jon Stewart und Stephen Colbert ein, die er allesamt in einer Mischung aus Hingabe an die Meinungsfreiheit und narzisstischer Persönlichkeitsstörung in seiner Sendung wiederholte und freudig kommentierte.

Beck hatte in seiner Jugend Drogenprobleme, die er mit dem Mormonentum in den Griff bekam oder in eine spirituelle Form brachte, je nach dem. Stephen King, der ob Trumps Wahlsieg auf Twitter verstummte (aber nicht einmal zwei Wochen durchhielt und seither den President-elect in Grund und Boden tweetet), nennt Beck „Satans geistig behinderten jungen Bruder“. Beck stellt die Gleichberechtigung Homosexueller, Evolutionstheorie und Klimawandel infrage und konkurrierte mit erzkonservativen Dreckschleudern wie Rush Limbaugh und Bill O‘Reilly um die hasserfüllten Herzen in den Trailer Parks und Kirchengemeinden der Fly-over-States. 2012 begann Becks Stern (=sein Einfluss) langsam zu sinken. Vielleicht radikalisierte sich die amerikanische Rechte von alleine im Internet weiter, an Becks Geschäftemacherei jedenfalls werden sich seine Anhänger nicht gestört haben können (siehe Wahlergebnis vom 9.11.16). 2015 dann kam Becks Sinneswandel, er sammelte für mexikanische Kinder, die sich illegal in den USA aufhalten, und für Frauen, die Opfer der IS-Miliz geworden waren, was für die wenigen verbliebenen Anhänger seiner jahrelangen Hetze ein ziemlicher Schock gewesen sein muss, den sie wahrscheinlich mit Verschwörungstheorien zu heilen wussten. („Beck war schon immer ein Agent des Obama-KGB, um den Widerstand in die Irre zu führen.“ „Der Mossad hat Beck eine Gehirnwäsche verpasst.“ „Außerirdische haben Beck durch einen Klon ersetzt.“ usw.)

 

Nach Trumps Wahlsieg gab er CNN ein Interview, in dem er mit der Spaltung der amerikanischen Gesellschaft und mit seinem jahrelangen Beitrag dazu haderte. Vor allem aber schien er wirklich entsetzt zu sein, dass die Tea Party- und Birther-Bewegungen auf ihrem Kurs hart Steuerbord mit dem Ku Klux Klan und anderen White Supremacists verschmolzen. Die Ernennung von Steve Bannon – der mit dem Internet-Hassvulkan Breitbart Ultrakonservative wie Glenn Beck rechts zu überholen wusste (vom noch viel schlimmeren Alex Jones mit seinen Info Wars ganz zu schweigen) – zum nächsten Strategieberater im Weißen Haus war das Fanal. Im Hollywood-Film wäre das die Stelle, an der ein ranghoher el-Kaida-Ideologe vor westlichen Journalisten beklagt, ISIS ginge jetzt aber zu weit.

Im Film wie in der politisch-medialen Wirklichkeit ruft dieser scheinbare Sinneswandel Skepsis hervor. Steht es wirklich so schlimm, dass selbst Bibel-Hooligans wie Beck Furcht vor Trumps Präsidentschaft entwickeln? Kann ein Brandstifter wirklich über den Anblick eines außer Kontrolle geratenden Flächenbrands erschrecken? Ist das nur der Versuch einer überlebten TV-Persönlichkeit, noch ein bisschen von der Aufmerksamkeit zu kriegen, die jahrelang seine Droge war? Oder zeigen sich da ernste Sorgen eines Anhängers der Demokratie, zu deren US-Fassung vollautomatische Schusswaffen genauso gehören wie eine Religions- und Meinungsfreiheit, die weder von Vernunft noch Anstand (aber vom Kapitalismus) eingeschränkt wird?

Wie tief diese Achtung des ersten Verfassungszusatzes bei US-Amerikanern sitzt, zeigt sich immer, wenn Antagonisten einander vor der Kamera begegnen und sich zivilisiert, oft sogar mit merklichem Respekt voreinander unterhalten. Jon Stewart hatte 2014 Becks FOX-Kollegen Bill O’Reilly in der Daily Show, das war so ein Ereignis. Als Stewarts Nachfolger Trevor Noah zwei Jahre später die erst 24-jährige Tomi Lahren zu Gast hatte, deren geifernde Tiraden gegen Demokraten und alle, die sich für Minderheitenrechte engagieren, ganz in der Tradition konservativer Hassprediger stehen, ging das schief: Es ist schmerzhaft mitanzusehen, wie der sonst so alerte Noah es kaum fertigbringt, seinem Studiogast in die Augen zu sehen, und Lahren aus dem Johlen des Publikums, dem sie in gegenseitiger Verachtung verbunden ist, Selbstbewusstsein tankt.

Vergangene Woche wiederum setzte sich Samantha Bee mit keinem anderen als Glenn Beck zusammen und machte vor, wie es auch & anders geht, indem sie zunächst mit Beck „tribal animosities“ darüber austauschte, was ihr jeweiliges Publikum gern mit dem anderen anstellen würde. Schnell aber kamen sie darin überein, gegen den „Trumpismus“ eine Koalition der Anständigen ohne Rücksicht auf die Lagerzugehörigkeit bilden zu müssen. Wie im Film eben, glücklicherweise gebrochen durch das kömodiantische Talent Bees und Becks Bereitschaft, sich darauf einzulassen. Am Ende schaffte er es gar noch, Bee die Warnung mit auf den Weg zu geben, nicht so zu enden wie er.

Die Sorge, die Stars der liberalen US-Late-Night-Satire könnten sich in den nächsten vier Jahren dazu herablassen, die niedersten Instinkte ihrer gedemütigten Anhänger zu bedienen, ist ebenso unbegründet wie diejenige, eine Trump-Administration könne die Sprachrohre ihrer politischen Gegner zum Schweigen bringen. Dafür sind diese zu fest im Humanismus verankert, dem ihr Humor entspringt, zu dem unfähig zu sein viel über die Ultrakonservativen der Gegenseite sagt.

Eine andere Sorge ist eher angebracht und berührt etwas, was der Zauberlehrling Glenn Beck selbst nicht angesprochen hat, aber womöglich in seinen schlaflosen Nächten ahnt: Was einer tagaus, tagein vor der Kamera erzählt ist das eine, was die Millionen Zuschauer daraus machen das andere. Beck hatte Spaß am Zündeln, bis die von ihm gelegten Feuerchen sich zu dem Flächenbrand vereinigten, von dem hierzulande auch AfD-Anhänger träumen.

Seit dem 9. November 2016 kommt keine US-Satire-Show ohne den Hinweis aus, Russland habe die Wahlen manipuliert. Nach derzeitigem Ermittlungsstand heißt das nicht mehr, als dass mutmaßlich russische Hacker die E-Mails der Demokraten zur Veröffentlichung an Wikileaks weitergereicht haben sollen, um dem Trump-Lager im Wahlkampf zu helfen. Das mag plausibel sein, aber selbst wenn es bewiesen wäre, bliebe umstritten, ob die entscheidenden Hunderttausend Wähler in den entscheidenden drei, vier Swing States am 8. November anders abgestimmt hätten. Und die selbstkritische Frage, was mit einer Gesellschaft los sein muss, die sich dergestalt von einem klassischen Hollywood-Bösewicht manipulieren lässt, bliebe immer noch ungestellt.

Stattdessen erlebt das Narrativ von der unrechtmäßigen Präsidentschaft gerade seine Renaissance bzw. hier muss es heißen: sein Comeback. Nur sind es jetzt keine Gerüchte um eine Geburtsurkunde, die zum Rückzug manchen verzweifelten Anhängers des Wahlverlierers in paranoide Verschwörungstheorien sorgen. Es wäre ein grausiger Triumph des Trumpismus, wenn sich die liberale Hälfte der USA dergestalt und ohne Not von ihren humanistischen Prinzipien verabschieden würde.

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