Zipperlein

Krankheit macht die Gesundheit angenehm, Übel das Gute, Hunger den Überfluß, Mühe die Ruhe.

So schreibt Heraklit im 111. seiner von Diels/Kranz versammelten Fragmente. Da reckt nicht nur zum ersten Mal das dialektische Denken sein Haupt aus den Schwaden der frühesten Philosophie hervor. Auch ganz unmetaphorisch konkret verstanden hat Heraklit recht gesprochen. Jeder ab einem gewissen Alter, in dem auch bei bester Kondition die Zipperlein täglich zunehmen, weiß das. Angenehm sind dir die Tage, wenn die Bauch- oder Rachenschmerzen drauf und dran sind, von den Kopf- oder Rückenschmerzen (oder umgekehrt) abgelöst zu werden, diese sich aber gerade erst ankündigen. Ganz so, wie der Depressive sich an symptomfreien Tagen für glücklich hält, obwohl er krankheitsbedingt gar nicht mehr zum Glücksempfinden in der Lage ist.

Im Interregnum der Krankheiten ist fein über das schopenhauersch-griechische Verdikt vom Leben als Leiden nachdenken, das möglichst kurz ausfallen sollte. Wenn es dann wieder soweit ist und es hier oder da weh tut, regiert die Panik, dies könne nun also die ernsthafte letzte Erkrankung sein, die einem binnen Monate ungerechterweise den Geraus machen wird.

Was ist der Mensch? Etwa todessüchtig und lebensmüde, wie es so oft heißt? Oder doch viel eher auf geradezu unvernünftige Art todesmüde und lebenssüchtig…?

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