Altersvorsorge

Jetzt bist du sozial gesehen definitiv erwachsen, denn du hast eine Altersvorsorge abgeschlossen. Beratungstermin bei der Bank, gemeinsam bunten Balken und Zeitverläufe angeguckt und nach einigen Unterschriften jede Menge Papier mitgenommen.

Du hast dich bemüht, es dem Vorsorgeberater nicht zu schwer zu machen und deine déformation professionelle im Zaum zu halten. Trotzdem hat dich von dem, was er wohl jedem erzählt, höchstens die Hälfte interessiert, während andere Sachen, nach denen anscheinend selten gefragt wird, dir auf den Nägeln brannten. Was passiert zum Beispiel mit Vertrag und angesparter Kohle im Fall einer Kündigung und Rückkehr in die Wildnis des Freiberuflertums?

Angesichts der Zahlenreihen auf dem Beratungsschirm konntest du dir das Lachen nicht verkneifen: Gewagt bis ins Absurde ist nicht nur der Gedanke, in den 2040er und 50ern überhaupt noch am Leben zu sein. Schon die Idee, es könne ein 2042, 47 oder 56 geben wie es ja deiner Erfahrung nach auch mal 1982, 1995 und 2013 gegeben hat, kommt dir komisch vor. Noch komischer die Selbstverständlichkeit, mit der ein Vorsorgeberater davon auszugehen vorgeben muss. Sein Berufsstand lebt von der Illusion, man könne alt werden und es lange bleiben, und von der Sorge, man könne alt werden und arm sein.

Da ist es unklug, vom Tod zu reden. Stattdessen geht es geschäftsmäßig um den „Erbfall“, ein Part, in dem du komplett abgeschaltet hast, weil die Möglichkeiten, du könntest irgendwelche Erbberechtigten außer dem Tierschutzverein hinterlassen, nahe null sind. In diesem Fall, der in Vertrag und Gespräch weniger ausführlich behandelt wird als die sagenhaften Segnungen der Angehörigen durch die unabgerufenen Vorsorgeansprüche eines Verblichenen, wird ein pauschal gedeckeltes Sterbegeld gezahlt. An wen, wenn da niemand ist? Wahrscheinlich an den Staat, mutmaßte der Berater, der sich da auch langsam gefragt hat, warum du eine Altersvorsorge abschließen willst, wenn du Zukunft für unwahrscheinlich hältst. (…und zumal er sich hat ausrechnen können, dass deine Rentenansprüche auch mit der Zusatzkohle höchstens ganz knapp über der Grundsicherung liegen werden.)

Erstmal willst du dazugehören zum Club der Erwachsenen mit halb verstandenen lebenslangen Vertragsverpflichtungen. Dann ist der Gedanke ganz nett, für den Todesfall gewappnet zu sein wie die Gesellen auf der Walz, die eine Münze im Schuh oder einen Ring im Ohr haben, um – wie Tyler Durdens Privatarmee – damit die eigene Beerdigung zahlen zu können. Eine Seebestattung ist ja nicht billig. „Zu guter Letzt“ besteht ja noch die Möglichkeit eines angekündigten Todes: Krebs zum Beispiel, was nach Richard Smith die beste Art zu sterben sei. Nach der Diagnose bleibt dann ja noch etwas Zeit, den Vertrag aufzulösen und das nachversteuerte Ersparte in den paar verbleibenden Wochen oder Monaten der Freiheit, des Schmerzes und des Abschieds zu verprassen, die zu den echt guten eines absurden Lebens gehören könnten…

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