Warum „Zoo“ so schlecht ist

Serien sind die Gesellschaftsromane von heute und ohne über die Ursachen ihres großen Erfolgs spekulieren zu müssen war es nur eine Frage der Zeit (also der Dauer dieses Erfolgs), bis die Medienökonomie aufgrund ihrer eigenen Dynamik den Niedergang des Genres herbeiführen würde; und zwar indem immer mehr immer weniger dafür geeignete Stoffe, Autoren und Schauspieler ebendort hineinbefördert werden, um auch einen Teil vom Quotenkuchen abzugreifen.

Ein Roman zeichnet sich (wie eine gute Serie) erstmal nicht dadurch aus, dass viel passiert, sondern dass sich die Figuren darin entwickeln. Alles andere kann man in einem 90-minütigen Kinofilm abhandeln, zur Not mit Überlänge. Die US-amerikanische TV-Serie „Zoo“ ist ein Beispiel dafür, wie man es nicht macht, und ein Zeichen, dass die unverschämten Absahnversuche längst begonnen haben.

„Zoo“ ist für jemanden, der in seinem Blog die Rubrik „Tiere gegen Menschen“ unterhält, eine besondere Enttäuschung. Denn die Geschichte von „Zoo“ klingt „affengeil“: Die Tiere beschließen, dass es reicht, und wenden sich überall auf der Erde gegen den Menschen.

 

Ein schlechter Film in 13 Folgen

„Zoo“ ist aber leider praktisch ein dummer Roland-Emmerich-Film, der auf 13 Folgen ausgewalzt worden ist und – erster Kardinalfehler – das gleiche eindimensionale Personal enthält: Da ist der zum sanften Riesen gewandelten ehemalige Kindersoldat und eine französische Geheimagentin, die im US-Medium natürlich ein anorektisches Supermodell in hochhackigen Schuhen sein muss und deren gesamte Physiognomie vom Zappelphilipsyndrom betroffen ist – bis auf die Augenlider, die sich nur in Super-Slomo bewegen. Nicht nur das „Schauspiel“ ist mies: Ihre Charakterexposition beschränkt sich darauf, dass ihr Verlobter kurz vor der Hochzeit mit ihrer Schwester gebumst hat und dafür späterhin als Schwächling gedemütigt wird, weil er es (vernünftigerweise) nicht unbewaffnet mit drei Bären aufnehmen will. (Gibt es eigentlich schon einen Essay über die protestantische Lust von US-Drehbuchautoren am Moralisieren und Bestrafen?)

Ein unrasierter, lebenskluger Underachiever wächst in der Apokalypse über sich hinaus und rehabilitiert den toten Vater, einen verrückten Tierforscher, als visionär-geniale Mischung aus Faust und Cassandra. Solche Rollen wurden früher von Dennis Quaid gespielt. Ein Jeff-Goldblum-Charakter darf dann auch nicht fehlen: Ein sarkastischer Veterinärpathologe (Was es alles gibt!) entdeckt (logischerweise während eine Drogenbande ihn als Geisel festhält) seinen weichen Kern, wofür er der vernachlässigten Tochter mitsamt enttäuschter Ex-Frau zweimal das Leben retten darf. Anders als im Idiotenkino kriegt er darob nicht seine Familie zurück, sondern kriegt die liebenswürdig tolpatschig-idealistische Journalistin ab, die nicht ganz, aber fast halb so alt wie seine Ex ist. Was für ein Rückschritt für die diesen Quatsch spielende Kristen Connolly, die in „House of Cards“ noch als taffe Assistentin (im Wortsinne) eines aufstrebenden, alkoholkranken Politikers brillierte! In „Zoo“ kann man als Zuschauer überhaupt nichts mit ihr (und dem Rest der Gurkentruppe sowieso) anfangen, obwohl sie mit ihrer Beharrlichkeit den Stein ins Rollen bringt: Weil sie als Kind ihre Mutter durch den bösen Biotech-Konzern verloren hat, ist sie nun fest entschlossen dessen Verantwortung für den Amoklauf der Tiere zu enthüllen! Und alle so: yeah!

Zum Mitfiebern laden nur die Szenen ein, in denen tatsächlich mal Tiere zur Tat schreiten, und der Vorspann taugt auch, weil er an das Titelbild von Lichtwolf Nr. 18 („Misanthropie“) erinnert und mit einer Art Tribal-Remix des „Twilight Zone“-Themas unterlegt ist.

 

Drehbuch aus Kinderhänden

Zur Blödheit der Figuren passt die der Dialoge, die klingen, als hätte ein Kind nach der Lektüre einiger Was-ist-was-Bücher beschlossen, eine Gruselgeschichte zu erzählen. Es ergäbe ein anstrengendes Trinkspiel, müsste man jedes Mal einen heben, wenn irgendwer das „Oh mein Gott…“ raunt, ohne das der Zuschauer in der Vorstellung von Drehbuchautoren eine schockierende Wendung gar nicht mehr mitbekommt. Ebenso unentbehrlich für thrashige Science-Thriller ist das wichtigtuerische, halbverstandene Fachvokabular, an dem sich die Autoren ständig verheben. Die Figuren sprechen von Endoskelett, wenn sie Exoskelett meinen, und der DGSE wird dem Zuschauer als französisches Gegenstück zum FBI erklärt, obwohl es ein Auslandsnachrichtendienst ist. Die Löwen hätten einen „Superorganismus“ (ohne die Mummenschanz-Präfixe „Mega“ und „Hyper“ geht nichts mehr) gebildet, weil sie plötzlich „über große Entfernungen miteinander kommunizieren“ können (nicht etwa mittels Telefon), nachdem die Viecher bisher jahrtausendelang bloß schweigend neben einander her gelebt haben. Mit einer Kaffemaschine, Autobatterie und zwei Kokosnüssen wird ein Wolfshirn nachgebaut, das wie die moderne Jahrmarktsattraktion, die solcher Unfug ist, blubbert und explodiert.

Aus dem (okayen) Vorspann von „Zoo“: Eine menschliche Behausung spiegelt sich in einem Katzenauge. Was hätte man allein daraus alles machen können! © CBS
Aus dem (okayen) Vorspann von „Zoo“: Eine menschliche Behausung spiegelt sich in einem Katzenauge. Was hätte man allein daraus alles machen können! © CBS

Diese hohlen Überwältigungsversuche wären ja noch erträglich, wenn sie wenigstens in eine plausible Handlung eingebettet wären. In Brasilien wollen die Helden eine Fledermausplage mittels eines starken elektromagnetischen Signals vertreiben und klauen dazu den improvisierten Funkmast eines Drogenbarons. Damit wird eine komplette Folge verplempert, ohne dass je klar wird, warum die Helden nicht einfach in den nächsten Elektronikmarkt fahren oder wenigstens mal bei einer Telefongesellschaft oder beim Rundfunk nachfragen.

Soziale Medien werden in einer TV-Produktion auch anno 2014/15 noch als peripherer Hacker-Kram dargestellt, mit dem man auf unkonventionelle Weise nach einem Auto fahnden kann. In jeder Folge der sich mal über Wochen, mal über Monate erstreckenden Staffel (die Autoren sind sich wohl nicht so sicher) gehen die Helden einem anderen Fall nach, in dem Tiere sich gegen Menschen zusammengerottet haben. Selbst wenn die Medienwelt immer noch bloß aus Fernsehen, Radio und Zeitung bestünde, würde doch spätestens nach dem dritten Massaker von Straßenhunden an Touristen die BILD in fetten Lettern schreien, ob die Tiere uns alle umbringen werden, und Panik im Einklang mit dystopischem Übereifer der Sicherheitsorgane ausbrechen. In „Zoo“ passiert in 12 von 13 Folgen nichts dergleichen, nur damit in der letzten Folgen auf einmal alle Straßen wie leergefegt sind und sich niemand mehr Fleisch zu essen oder ohne Personenschutz vor die Tür zu gehen traut.

Das Drehbuch ist eben auch handwerklich so schlecht wie das eines Blockbusters, der für reißerische Trailer-Bilder alle „plot holes“ und Diskontinuitäten in Kauf nimmt. Wölfe können in „Zoo“ ein Hochsicherheitsgefängnis überfallen, in dem anscheinend kein Wärter bewaffnet und keine Tür gesichert ist; sie befreien eine Art von Ted Kaczynski, der „irgendwie“ ihr „Alphamännchen“ geworden ist und beim Versuch, sich selbst zu behandeln, draufgeht, sich dabei aber noch die Zeit nimmt für orakelnde letzte Worte, ohne dass darauf irgendwann irgendwie noch einmal Bezug genommen wird. Die Autoren haben in der „creative writing class“ gelernt, wie wichtig offene Enden sind, um die nächste Staffel oder ein Spin-off produzieren zu können, und haben in jede Folge so viele wie möglich gestopft.

Nur so ist auch ihr Versagen beim einzigen ernsthaften Versuch zu erklären, in der Serie das zu veranstalten, was eine solche Serie ausmacht, nämlich wenn schon keine Entwicklung, dann wenigstens eine Wandlung der Figuren. Deren Empörung darüber, dass die geheimnisvollen Kerle im Trenchcoat, die das Team auf der ganzen Welt zusammengesucht haben, in Wirklichkeit für den bösen Biotech-Konzern arbeiten, kann man ihnen genauso wenig abnehmen wie ihr späteres Selbstmitleid („Wir haben versagt.“). Denn bis dahin hat sich auch niemand ernsthaft dafür interessiert, wer diese Typen überhaupt sind und mit welcher Autorität sie u.a. eine DGSE-Agentin ermächtigen, als solche zusammen mit einem Haufen Zivilisten in jedem Land der Welt „Ermittlungen“ anzustellen.

 

Die Opfer bleiben Opfer

Auslöser für das Durchdrehen der Tierwelt ist die „Mutterzelle“, die als Molekül bezeichnet wird, dessen Wirkung den Autoren selbst nicht ganz klar zu sein scheint: Mal löst es eine Mutation aus („Evolutionsprung“, jaja.), mal verändert es die Augen (und damit die Weltanschauung der Tiere, haha), mal scheint es den Wasserdruck im Gehirn zu erhöhen und durchweg wird es gezeigt als Klumpen Speckstein, mit dem die Figuren ohne Schutzkleidung oder wenigstens Handschuhe herumhantieren. Einen Impfstoff kann man nur aus der Mutterzelle und einem Leoparden entwickeln, der noch nie Kontakt mit ihr hatte, weshalb die Helden gefühlte vier Folgen lang solche Leoparden suchen und den einen, den sie finden, beinahe im Atlantik versenken, weil sie ständig mit dem Flugzeug um die Erde jetten, obwohl sie aus eigener Erfahrung wissen, dass sich Fledermäuse & Co. als Selbstmordattentäter in die Turbinen stürzen…

Das größte Ärgernis sind aber weder die mit keinem Mystery-Geraune zu rechtfertigenden unlogischen Abläufe, noch die uninteressanten Hauptfiguren mit ihrem seifigen Herumgefühle, ihrem aufgeblasenen Gesülze, ihrer behaupteten Widersprüchlichkeit und ihrem kontinentgroßen ökologischen Fußabdruck. Die größte Beleidigung des Zuschauers ist der speziesistische Grundton von „Zoo“, bei dem nicht einmal – wie in „12 Monkeys“ – ein Verrückter die Frage stellen darf, ob die Menschheit ihre Ausrottung vielleicht verdient hat.

Der böse Biotech-Konzern hat die „Mutterzelle“ in allen seinen Produkten verwendet und diese überall auf der Welt ausgebracht: Die Tiere sind Opfer und bleiben Opfer (genauso wie in den jüngsten Remakes von „Der Planet der Affen“). Es ist also nicht so, wie in einer Folge gemutmaßt wird, dass die Tiere erkannt hätten, nirgendwo auf der Welt mehr vor dem Menschen und seinem unseligen Treiben sicher zu sein, und darum – weil die Flucht vom Planeten ihnen nicht offensteht – in ihrem Reaktionsschema nur noch die Optionen Erstarren und Kampf übrig haben. Was hätte man aus diesem Szenario machen und wie tief hätte man das ambivalente Verhältnis zwischen Mensch und Tier in beeindruckenden Bildern ergründen können! Anlass zur Hoffnung, dies könne in „Zoo“ ernsthaft versucht werden, gab es besonders in den ersten Folgen, etwa wenn die Hauskatzen (dieser Widerspruch in sich) den Schulhof-Baum, den sie besetzt haben, verlassen und einstweilen wie Schläfer (hihi) in ihre jeweiligen Haushalte zurückkehren.

Aber schon nach wenigen Folgen ist das Rätsel gelüftet: Es ist nicht die Entscheidung der Tiere gewesen, sich gegen den Menschen zu verbünden; sie haben eben nicht „beschlossen, dass es jetzt reicht“! Von da an geht es nur noch darum, einen Impfstoff zu entwickeln, damit die Tiere sich wieder in die vielfältigen Formen von Gewalt, die der Mensch gegen sie ausübt, mit der ihnen angeblich gebührenden Arglosigkeit fügen.

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