Pädagogischer Zynismus

Deutsch-Nachhilfe mit vier aufgedrehten Grundschülern, darunter eine geschminkte Neunjährige, die dich sogleich hemmungslos anbaggerte („Ham Sie eine Freundin? Sie sind mein Lieblingslehrer!“).
Danach erledigt wie ein Löwendompteur nach der Aufführung. Noch ins Gespräch geraten mit einer älteren Nachhilfe-Dozentin. Die gute Frau zeigte sich wild entschlossen, einen Termin mit der Mutter eures lebensmüden Schützlings auszumachen, nachdem du davon erzählt hattest. Das ist besser als der pädagogische Zynismus, der sich in der häufigsten Reaktion verrät: Die „psychischen Probleme“ (!?) seien bekannt und mit Ritalin und Therapiestunden werde das Kind schon wieder auf den rechten Pfad zur rentenorientierten Bürgerlichkeit geführt werden.
Natürlich kann man einem jungen Kerl, der intelligenter ist, als ihm gut tut, die die Widersprüche des Absurden und der Revolte als jugendliches Irresein verkaufen: „So aber hat er sie nicht empfunden. Er muß ihre Wahrheit bewahren – daß sie nämlich nicht befriedigend gelöst sind.“ (Camus, „Mythos des Sisyphos“, S. 67)

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